Konzert 9.4.2021

Online-Konzert  Freitag  9.4.2021

20 Uhr:      Konzerteinführung (ZOOM, Link über Anmeldung zur Tagung)
ca. 20:15zum Konzertstream

Sarah Maria Sun, Sopran – Jan Philip Schulze, Klavier – Kilian Herold, Klarinette

Rolf Riehm (*1937):

Der Asra (2014) (Text: Heinrich Heine, Rolf Riehm)
Orpheus Euphrat Panzer (2016) (Text: Ranke-Graves: Griechische Mythologie / Fundstücke aus dem Internet: Syrische Gegenwartslyrik 2013)
Hyperions Schicksalslied (2020) (Text: Friedrich Hölderlin), UA
Kompositionsauftrag des INMM, finanziert durch die Ernst von Siemens-Musikstiftung

Rolf Riehm (*1937):

Der Asra (2014)
Text: Heinrich Heine, Rolf Riehm

Täglich ging die wunderschöne
Sultanstochter auf und nieder
Um die Abendzeit am Springbrunn,
Wo die weißen Wasser plätschern.

Täglich stand der junge Sklave
Um die Abendzeit am Springbrunn,
Wo die weißen Wasser plätschern;
Täglich ward er bleich und bleicher.

Eines Abends trat die Fürstin
Auf ihn zu mit raschen Worten:
Deinen Namen will ich wissen,
Deine Heimath, deine Sippschaft!

Und der Sklave sprach: ich heiße
Mohamet, ich bin aus Yemmen,
Und mein Stamm sind jene Asra,
Welche sterben wenn sie lieben.

Orpheus Euphrat Panzer (2016)
Text: Ranke-Graves: Griechische Mythologie / Fundstücke aus dem Internet: Syrische Gegenwartslyrik 2013

Bericht

Auf dem Grab des Orpheus war in der Mittagsstunde ein Hirt eingeschlafen, und im Traume sang er, süß und mächtig, die Gesänge des Orpheus, als wäre es dessen unsterbliche Stimme gewesen, die aus dem Totenreich tönte.

  1. Strofe

Um euretwillen mögen weinen die hohen Gipfel von Berg und Gebirge, es mögen die Fluren klagen, so als seien sie eure Mütter! Aber die Luft zwitschert der Ebene zu, und das Gras flüstert den Toten zu.Der Weizen streckt sich, um das Erschauern des Gebirges zu sehen. Die Diebe stahlen meiner Schwester Wange und meines Bruders Hände.

  1. Strofe

Sie legten Feuer im Hause meines Vaters. Sie töteten meine Kühe und führten meinen Esel zur Blutlache. Sie fesselten die kleinen Schwestern mit Ackerstrickenund zertrümmerten den Schädel des Bruders am Brunnenrand. Die Panzer rasseln und ziehen vorbei.

  1. Saite

Die Mütter hasten mit den Jungen von einer Wand zur anderen, und sie verstecken die Mädchen in den Trümmern der Vorhänge.

  1. Strofe

Die Lehmwände stürzen ein und die Sommerähren bersten. Um euretwillen mögen weinen der Bär, die Hyäne, der Panther,der Gepard, der Rothirsch und der Schakal! Um euretwillen möge weinen der Euphrat, der reine, dessen Wasser wir immer wieder aus Schläuchen zum Opfer ausgossen!

 Kommentar

Konstruktion des Titels: Drei Wörter aus dem Text des Stückes. Sie sind verbunden mit jeweils gemeinsamen Lauten: „eu“ und „a“. Die Wörter sind Portale zu den metaphorischen Übertragungen, historischen Anspielungen, lyrisch-semantischen Verklumpungen etc., die in dem Lied vorkommen und sich auf vielfältige Weise durchdringen. — Die mythische Figur „Orpheus“. Er ist Sänger, seine Musik hat magische Kraft, er ist Fremdling in Griechenland, nämlich Thraker (Thrakien = etwa das heutige Bulgarien), er hat den Sonnenkult eingeführt, Dionysos will ihn daher vernichten. Dies besorgen die Bakchantinnen des Dionysos. Sie zerstückeln Orpheus und werfen seine Gliedmaßen in den Fluß Hebros. — Der Fluß „Euphrat“im Kriegsgebiet naher Osten (Syrien, Türkei, Irak, Libanon, Israel, Jordanien), die Stadt Uruk lag am Euphrat. Dort herrschte der halbmythische König Gilgamesch (~2652-2602 v.Chr.), dessen Leben das Gilgamesch-Epos erzählt. Aus der Totenklagedes Gilgamesch am Sarg seines „Bruders“ Enkidu habe ich ein paar Zeilen übernommen. — Panzer. Während ich diesen Kommentar schreibe, bombardieren russische und syrische Panzer die syrische Stadt Aleppo (ZEIT ONLINE 4.2.2016: „Putin bombt sich sein Syrien zurecht“). Zehntausende Flüchtlinge aus Aleppo versuchen verzweifelt, über die Grenze in die Türkei zu gelangen.

Überlegung: Die Kithara des Orpheus hatte vier Saiten (vier Chordai, Terpandros aus Lesbos um 650 v.Chr. erweitert sie auf sieben Saiten). Diese „vier Saiten“ habe ich als Symbole der tragenden Elemente des Stückes genommen. So gibt es vier „Figuren“ (= kurze Einfälle, kleine Strukturen, formale Gestalten o.ä.), aus denen das Stück gebildet ist: — „erste Saite“: Klavierakkorde, die synchron mit der Textskandierung der Singstimme laufen– „zweite Saite“: ebenfalls synchron mit der Singstimme zwei Linien, eine hoch, die andere tief. Nichts dazwischen, keine Akkorde o.ä.– „dritte Saite“: ein paar wenige Töne, die einige Hebungssilben der Stimme mitmachen. Mit diesen „drei Saiten“ sind die ersten beiden Strofen des Stückes bestritten.– „vierte Saite“: kommt erst nach der 2. Strofe ins Spiel und schwingt durch die 3. Strofe. Ihr Klangcharakter fällt dadurch aus dem Rahmen, daß wie durch ein Ansaugen aus der Ferne vertraute, freundliche Elemente an die Oberfläche kommen (Akkolade 9 ff). Im Spiel mit Terzfloskeln wird man der Anmutung des Kriegsliedes „Maikäfer flieg“ gewahr:“

Maikäfer flieg. Der Vater ist im Krieg. Die Mutter ist in Pommerland. Pommerland ist abgebrannt. Maikäfer flieg“

Unversehends gerät man zudem in eine, für unsere Ohren, schlichte Melodie, nämlich in das Seikilos-Lied: Das ist die einzige vollständig erhaltene Melodie aus der Antike (Buchstaben und Notenzeichen mit einem Apollonhymnus auf einer Grabstele, etwa 100 v.Chr. – 50 n. Chr.. Der Hymnus ist kein Jubelgedicht, sondern eine elegische Betrachtung über die Nichtigkeit des Lebens). Diese „Saiten“ (=Figuren, kleine Strukturen…) muß man sich als Transformationen der Idee einer spezifischen Klanglichkeit, die die einzelnen Saiten des Instrumentes (der Kithara) ja darstellen, denken. Wie man auf den Saiten spielt, so spiele ich kompositorisch auf bzw. mit diesen Figuren.Noch eine Bemerkung zu Bericht. Das ist eine von mehreren Überlieferungen über den Tod des Orpheus. Ein Hirte ist auf dem Grab des Orpheus eingeschlafen und singt im Traum so, als wäre es die Stimme des Orpheus. Legende: Die Mainaden nagelten das abgetrennte Haupt des Orpheus auf seine Lyra und warfen sie ins Meer. Die Strömung trieb das singende Haupt an das Ufer der Insel Lesbos. Dort also, nämlich am Ufer der antiken Stadt Antissa (die Ruinen kann man noch besichtigen. Das moderne Andissa (mit „d“) liegt etwasweiter im Landesinneren. In Antissa ist Terpandros geboren…), fand Orpheus, wenigstens sein Haupt und die Lyra, seine letzte Ruhestätte. Der Tempel ihm zu Ehren wurde in byzantinischer Zeit umgebaut in eine Kirche zu Ehren des hl. Nikolaus.

Hyperions Schicksalslied (2020)
Text: Friedrich Hölderlin

Ihr wandelt droben im Licht
   Auf weichem Boden, selige Genien!
      Glanzende Götterlüfte
         Rühren euch leicht,
            Wie die Finger der Künstlerin
               Heilige Saiten.

Schicksallos, wie der schlafende
   Säugling, atmen die Himmlischen;
      Keusch bewahrt
         In bescheidener Knospe,
            Blühet ewig
               Ihnen der Geist,
                 Und die seligen Augen
                     Blicken in stiller Ewiger Klarheit

Doch uns ist gegeben,
   Auf keiner Stätte zu ruhn,
      Es schwinden, es fallen
         Die leidenden Menschen
            Blindlings von einer Stunde zur andern,
               Wie Wasser von Klippe
                  Zu Klippe geworfen,
                    Jahr lang ins Ungewisse hinab.

Die Komposition hat kein durchgängiges Konzept. Manches Gegenwärtige hat Formen, die im Stück selbst keine Geschichte haben und auch keine stückinterne Resonanz erzeugen.

Die Komposition widerspiegelt zunächst die himmlische Imagination des Textes. Da oben ist es berückend schön; berückend schön ist hier unten der Gesang. Zugleich bewegt sie sich aber zunehmend in die existentielle Entfernung der beiden Ebenen. Ihr da oben, wir da unten. Sie erzeugt keine Empfindung für das Gesagte, hingegen zieht sie daraus ihre tonsetzerischen Kriterien.In der Art und Weise wie ich dieses Stück realisiert habe, könnte ich kein anderes realisieren.

Das konzeptionelle Interieur ändert sich im Laufe der Komposition. “Auf keiner Stätte zu ruhn” durchdringt ab einer gewissen Zeit alle Hervorbringungen des Stückes. Was mal galt, gilt nicht mehr.

Die Formdramaturgie vollzieht sich in extensiven zeitlichen Spreizungen. Eine verläßliche Maßstabssetzung findet nicht statt. Unmäßige Vorgänge, etwa das riesige Gesangssolo und vor allem später das Klaviersolo. Für diese Teile gibt es keine kompositionsimmanenten Gründe. Sie sind quasi ungezielte Reflexe auf den Gehalt der Ode.

Von den kompositorischen Vorgängen geht keine Verläßlichkeit aus. Sie scheren sich nicht um stilistische Übereinkünfte, s. Quartsextakkorde. Darin realisiert sich z.B. ein weiteres Mal die abstrakte Wirklichkeit, mit der Hölderlin hantiert. Auch die Gesetzlosigkeit der Himmlischen manifestiert sich im musikalischen Interieur.

Der Gehalt der Ode geht in die Substanz der Klangverläufe ein. Er konfiguriert die Organisation ihres Inneren. Es ist mehr als daß er sie bestimmt: er konfiguriert die Organisation der Klangverläufe.

Die Sprachbilder Hölderlins sind zeitgeschichtlich nicht gegenwartsverbunden, aber berückend schön.

Der Gesang ist uns ferne, aber Sarah singt berückend schön.

(T 1 ab “Auf weichem Boden…”und ab T 5 gewissermaßen jeweils stehende Lautstärken, extrem “unmoduliert” in der betreffenden Lautstärke. Die Phrasen unter einem Bogen mit überzogenem legato. Die Konsonanten so weit wie möglich darein einbeziehen. Die Explosiva sollten den Klangzug nicht zu stark skandieren. Keine interne Klangbelebung oder -gestaltung, gleichwohl immer mit allergrößter Dringlichkeit.

Von natürlicher Diktion entfernt, manieristisch im konstruktiv-ermutigenden Sinn. Die Gesten anfangs: wie aus großer konzeptioneller Ferne. Abgehoben, wie die Phrasen des Gesanges. “Unendliche Ferne”. Zu Beginn noch Ideen zu Gestik. Verliert sich aber schon nach Zeile 2, Takt 1. Zur Unterstützung der emotional in die Ferne abdriftenden Vorgänge werden Gesten ausgeführt, die ebenfalls weit weg vom naturalistischen oder gar realistischen Darstellen sind. Sie unterbleiben aber nach Zeile 2, T 1.)

Gordon Kampe




Gordon Kampe (*1976):

Winzige Lieder (2016)
Text: Velimir Chlebnikov

Die winzigen Lieder schrieb ich auf Texte von Velimir Chlebnikov. Es ist ein sehr kleiner Liederzyklus, in dessen Zentrum ein Grashüpfer vorkommt. Der Programmtext sollte nicht länger als das Stück sein, weshalb ich jetzt nicht weiterschreibe. Natürlich hätte ich viel zu erzählen.

1             Ich bin blasser Himmeling / ich bin ein schwankender  Himmelling / ein Wasserling
bin ich ein blauer Quell  / aus den Tie-en steig ich hinauf / ich starb zerfloss verlief
ich erreichte kaum eine Gestalt.

2             Ein abendrotfarbener Beifuß in ferner Zeit an einem Flussufer stand
wellenschlagender Fluss meiner Sehn-sucht.
Schwankend, verschlungen, verflochten.
Schwankend im Laub eines Lebens an Nebeln.

4             okopf umkopf beikopf abkopf dennkopf verkopf vorkopf amkopf niekopf nachkopf in-kopf drinkopf dennkopf bom! biskopf jakopf! abkopf auskopf unkopf zweikopf dreikopf bom! dochkopf abkopf vorkopf neinkopf loskopf inkopf bom! bom! bom!

5             Ein himmelroter Beifuß wuchs bei sommers bei vorbei.
Am Bach am trudel bei vor Schwermut am bei schling und schlang und aberschlung am
laubeidach vorbei

6             flüxelnd mitz golds gekrixxel
drüxt gratzhüpfer in seines Bauchsbüxel
schlipf und anzer uferblipf
pfeift schimpfelt
beschwan beschwampf
kompf her

7             Unser Kohlkopf ist sehr besorgt: ein scharfes Messer ist sehr genau.

8             flittelnd mit seinem Goldschrieb splitter feiner Fasern  spickt der Heuschreck sich den Schnappsack voll mit Schilf und  Ufergrasen. Flittelnd mit seinem Goldschrieb
Oh Schwanicht! Seischein

Thierry Tidrow




Thierry Tidrow (*1986)

Vier Elementarphantasien (2017-2020) (Text: Christian Morgenstern)

Die Meeresbrandung (2017)
Der Erdriese (2018)
Der Sturm (2020) UA
Kompositionsauftrag des INMM, finanziert durch die Ernst von Siemens-Musikstiftung
UA: Die Flamme, Trio-Version (2020) UA
Kompositionsauftrag des INMM, finanziert durch die Ernst von Siemens-Musikstiftung

Die Meeresbrandung

 „Warrrrrrrte nur…….
wie viel schon riß ich ab von dir
seit den Aonen unsres Kampfs –
    warrrrrrrte nur…….
wie viele stolze Festen wird
mein Arm noch in die Tiefe ziehn –
    warrrrrrrte nur…….
zurück und vor, zurück und vor –
und immer vor mehr denn zurück –
    warrrrrrrte nur…….
und heute mild und morgen wild –
doch nimmer schwach und immer wach –
    warrrrrrrte nur…….
umsonst dein Dämmen, Rammen, Baun,
dein Wehr zerfällt, ich habe Zeit –
    warrrrrrrte nur…….
wenn erst der Mensch dich nicht mehr schützt –
wer schützt, verloren Land, dich dann?
    warrrrrrrte nur…….
mein Reich ist nicht von seiner Zeit:
er stirbt, ich aber werde sein –
    warrrrrrrte nur…….
und will nicht ruhn, bis daß du ganz
in meinen Grund gerissen bist –
    warrrrrrrte nur…….
bis deiner höchsten Firnen Schnee
von meinem Salz zerfressen schmilzt –
    warrrrrrrte nur…….
und endlich nichts mehr ist als Ich
und Ich und Ich und Ich und Ich –
    warrrrrrrte nur…….“

The Breaking of waves
(from „Four Element Fantasies“, translation: Thierry Tidrow, Sarah Maria Sun)

„Jussssssst you wait…
How much of you have I already ripped
throughout the eons of our strife
jussssssst you wait…
How many proud strongholds
will my arm pull into the deep
jussssssst you wait…
Back and forth and back and forth
and yet always more forth than back
jussssssst you wait…
and mild today and wild tomorrow
yet never weak, and always watchful
jusssssssst you wait…
in vain your buildings and your dams
Your shields collapse, time’s on my side
jusssssssst you wait…
Once man no longer protects you
who will, doomed land, protect you then?
jusssssssst you wait…
my realm is not of this time
It will expire, yet I’ll remain
jusssssssst you wait…
and will not rest until you’ve fully
sunk down to my darkest depths
jusssssssst you wait…
Until your highest peaks of snow
shall melt, corroded by my salt,
jusssssssst you wait….
and nothing, at last, is left but me
and me and me and me an

Der Erdriese

Grab tausend Klafter
hinab in den Grund,
da weckt dein Scheit
ein hallend Gewölb -:
den Kugelkerker
aus zwölffachem Erz,
darin Erdriese
gefangen

 

Hörst du ihn
bei seinem Werk?
Mit Fersen und Fäusten
stampft und stößt er,
wirft mit dem breiten Nacken
sich dumpf an die Wände,
scharrt mit Nägeln und Zähnen..
lautlos nun,
und nun brüllend
wie zehntausend Stiere.

 

Gleich einer Espe
zittert der Ball…
Die Meerunholde
schrecken aus ihrem Spiel
und stürzen den Festen zu…
Die Feuerhexen
schießen mit sprühendem Brandhaar
aus ihren Küchen…

 

Die Acker- und Felsenschläfer
rücken und recken sich:
Städte und Länder
versinken
in Trichtern und Schächten.

 

Hörst Du ihn noch?
Ward er nun still?
Horch!
Er schnarcht!
Wie es brummt und sägt!..

Der Sturm
Bis an die Knöchel
steh‘ ich
im tiefen See.
Den Horizont hinab,

wo mir Gebirge
die grauen Rachen –
entgegensperren,
greif ich
und ziehe

aus ihren Schlünden
die zähen Schleimschleier
unendlicher Nebel.
Und ich halte sie in die Sonne,
die euch scheidet,

mir noch im Mittag steht:
Das glüht, das leuchtet!
Das gefällt euch!
Und ich schlag‘ das Gewölk
wie Schaum

mit der flachen Hand,
und wirbl‘ es
und ball‘ es
und kraus‘ es –
und zaus‘ es –

heissah halloh!
Und ich pust‘ es
auf eure Dörfer
und hebe die Füße
aus eurem tiefen See

und laufe
Mutter Sonne davon,
heissah,
unter die purpurnen Sterne!“

Die Flamme
„So sterben zu müssen –
auf einer elenden Kerze!
thatenlos, ruhmlos
im Atemchen
eines Menschleins
zu enden!..
Diese Kraft,
die ihr alle nicht kennt –
diese grenzenlose Kraft!
Ihr Nichtse!..
Komm doch näher,
du schlafender Kopf!
Schlummer,
der du ihn niederwarfst –
ruf doch dein Brüderlein Tod –
er soll ihn mir zuschieben –
den Lockenkopf –
ich will ihn haben – haben!
Sieh,
wie ich ihm entgegenhungre!
Ich renke mir alle Glieder
nach ihm aus…
Ein wenig noch näher –
näher –
ein wenig –
so –
jetzt vielleicht –
wenn’s glückt –
ah! du Hund!
Er will erwachen?
still –
still –
so ist’s noch besser!
Der Pelz am Mantel –
Der Pelz – der Pelz –
hinüber – hinüber –
ahhh! faß ich dich – hab ich dich –
hab ich dich, Brüderchen –
Pelzbrüderchen, hab ich dich – ahhh!
Hilft dir nichts –
wehr dich nicht mehr!
Mein bist du jetzt –
Hand weg!
Wasser weg!
Mein bist du jetzt!
Wasssser weg!
Wart‘, da drüben ist
auch noch für mich –
so –
den Vorhang hinauf –
fängst mich nicht mehr –
Tuch – Tuch –
jetzt bin ich Herr!
Siehst du, jetzt breit‘ ich mich
ganz gemächlich im Zimmer aus –
laß doch den Wasserkrug!
Laß doch das Hülfgeschrei!
Bis sie kommen
bin ich schon längst
in den Betten und Schränken –
und dann könnt ihr nicht mehr herein –
und ich beiß‘ in die Balken der Decke –
die dicken, langen, braunen Balken –
und steig‘ in den Dachstuhl –
und vom einen Dachstuhl
zum andern Dachstuhl –
und irgendwo
werd‘ ich wohl Stroh finden,
und Öl finden,
und Pulver finden –
das wird eine Lust werden!
Das wird ein Fest werden!
Und wenn ich die Häuser alle zernichtet –
dann wollen wir mit Wäldern
die Fische in den Flüssen kochen –
und ich will euch hinauftreiben
auf die kältesten Berge –
und da droben
sollt auch ihr meine Opfer werden,
sollt ihr meine Todesfackeln werden –
und dann wird alles still sein –
und dann -„

The Flame (engl.)
„Oh, To have to die like this –
upon a miserable candle!
To end, deedlessly, ingloriously
by the faintest breath
of a poor human!…
This power,
Of which you are all unaware
this boundless power!
You fools!…
Come closer,
sleepyhead!
Slumber,
You, who threw him down –
call forth your little brother Death –
he should push them towards me –
Those luscious locks –
I want to have them – have them!
Lo!
how I hungrily
wrench my limbs towards them…
A little bit closer –
closer –
a bit –
just a bit –
Like that –
now, perhaps –
if I’m lucky –
Ah! You dog!
Is he waking?
Shush –
shush –
This way’s better still!
The fur on that coat –
the fur, the fur –
over here, over here
aaaaah! Caught you – Got you –
got you, my little friend –
My furry friend, got you – aaaaah!
Nothing will help you –
don’t resist!
Now you are mine!
Hands off!
Water begone!
Now You are mine!
Water stay clear!
Wait – over there
there’s even more stuff for me –
Now then…
Up the curtain –
Ne’er shall you catch me –
Rags, blankets –
your King I’ll now be!
Don’t you see
how I now spread
quite leisurely throughout the room?
Forget the water jar!
Forget the screaming!
By the time they get here
I’ll have long been
in the beds and closets,
and then you’ll not be able to enter.
And I’ll bite in the ceiling’s timber
those thick, long, brown logs
and rise to the roof
and from one roof
to another
and surely somewhere
I will find straw
and oil
and powder-
Oh what a joy that will be!
Oh what a feast that will be!
And once I’ve destroyed all houses,
I shall, with the help of the woods
cook all the fish in the streams
and I shall drive you
up into the coldest mountains
and up there shall you, too, be my prey
you shall be my death-torches
and then all will be still

Nun schläft er, der Alte.

 

 

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